Serious Play
Autorin – Karin Schulze
Katalogtext 2018
Wenn es etwas gibt, das die in der Ausstellung „Serious Play“ vereinten Arbeiten von Lucy Teasdale und Michael Markwick verbindet, dann vielleicht die so spielerische wie ernsthafte Anstrengung, in Medien, die an sich unbewegt sind, Dynamiken zu evozieren.
Sehr konkret stellt sich dieser Aufgabe die Bildhauerin Lucy Teasdale: „Mir ist es wichtig, beim Modellieren einen Punkt zu erreichen, an dem sich dem Betrachter eine ganz bestimmte Bewegung vermittelt.“ Dynamiken weniger greifbarer Art durchziehen Markwicks malerisches Werk: „Die Erde gibt nach, ein Sturm zieht auf, das Licht wechselt: Mich zieht Geschehen an, das voller Energie ist.“
Meist entstehen Markwicks Bilder aus unzähligen Übermalungen und Schichtungen. Um die physische Struktur der Farbe hervorzuheben, mixt er manchmal Sand in die Farbe oder kappt sie mit Rasierklingen und Spachteln. Den Malprozess versteht Markwick als Dialog und Widerstreit von Farben, Formen und motivisch-narrativen Intuitionen wie Landschaftselementen. In den aktuellen Arbeiten zeichnen sich auch Andeutungen einer menschlichen Gestalt, einer Blume oder eines Papierdrachens ab.
Schemen von Knochen, Schädeln oder Skeletten, die auch in älteren Arbeiten im Malprozess unwillkürlich immer wieder auftauchten, hat der Künstler jüngst mit Titeln wie Sailor on the Styx (2018) oder Clattering Bones of a Flower (2017) hervorgehoben und so die latente Auseinandersetzung mit Tod und Sterblichkeit betont.
Den Raum dafür hat eine neue, hellere Gestimmtheit der malerischen Kompositionen geschaffen. Bis 2015 war Markwick vor allem von expressionistischen Einflüssen – von Joan Mitchell, Willem de Kooning oder den CoBrA-Künstlern – inspiriert. Seit einer Reise zu Piero della Francesca und den Fresken der italienischen Frührenaissance aber ist seinen Bildern größere Leichtigkeit anzumerken. Sie zeichnen sich durch lichtere Farben, offenere Räume und stärker grafisch nuancierte Formen aus.
Trotzdem durchwirken immer noch Dissonanzen den Bildraum. So hält Markwick alle Elemente aktiv und lebendig und dynamisiert den Betrachterblick. Dieser stößt sich von fein abgetöntem oder verwirbeltem Farbgeschehen ab, zoomt sich in Bilddetails von enormer Tiefenwirkung hinein oder wird – wie etwa in The Slide (2017) – in einen bleiern-dunklen Schlund hinab gesogen. In Poet Climbing out of the Earth (2017) scheint frühlingshaft lyrische Leichtigkeit die Schwere zu besiegen, während sich in Bird Waiting for Storm (2018) mittäglich glühende Lichtkaskaden gegen steingraue Schemen aufbäumen, die alle Farben zu schlucken drohen.
Sind Markwicks Dynamiken eher atmosphärischen Umschwüngen verwandt, so flackern in Teasdales Skulpturen die Bewegungen von menschlichen oder tierischen Körpern auf. Dabei baut die Künstlerin ihre Plastiken aus Ton auf und erstellt dann vermittelt über eine Negativform Abgüsse aus Acrystal – einer Art Kunstharz, das sich durch Beigabe von Pigmenten farblich nuancieren lässt.
Als Ausgangpunkt wählt sie häufig Presseaufnahmen. Ihr Grandly National (2017) etwa geht auf ein Foto vom traditionellen britischen Hindernisrennen Grand National zurück, bei dem in der Vergangenheit zahllose Pferde tödlich verunglückt sind. Spannungsvoll wird dabei der Umschwung der kraftvoll aufsteigenden in die kollabierend stürzende Bewegung der Pferde erfahrbar. Unterstützt wird die Dynamik von einem sich ziehharmonikaförmig auffächernden Sockel.
Bei einigen Arbeiten schält sich die Bewegung aus ihrem scheinbaren Gegenteil, einer Betonung des Materials und der Konstruktion, heraus. So bleibt bei Lift (2016) und Toad (2017) die ursprüngliche, quaderförmige Gestalt des unbehandelten Tonblocks erkennbar. Bei anderen Plastiken wird das sonst eher verborgene, die Statik unterstützende Gestänge bewusst sichtbar: so etwa bei The Mustering (2016), das den Moment bannt, da sich Krähen am Abend in den Kronen zweier dicht beieinander stehender Bäumen versammeln.
Besonderes Augenmerk gilt kreisförmiger Bewegung: Hold (2018) folgt einem tanzenden Paar, das sich im Drehen weit zurückneigt, während Polo! (2017) die schnellen Wendungen von zwei Polopferden auf engstem Raum so imaginiert, dass selbst der Boden in eine kreiselnde Bewegung versetzt scheint.
Stets bringen dabei die aufgelösten, rohen Oberflächen noch eine weitere Dynamik ins Spiel: den Prozess, in dem sich für den Betrachter die Kontur einer konkreten Situation aus dem Material herausstemmt und wieder ins Material zurückfällt. So arbeitet Teasdale auf vielfältigste Weise im Medium der an sich unbewegten Skulptur an der Auflösung des Statuarischen und der Pose, die dem Vergehen der Zeit enthoben scheinen.